Weltpoliotag 2011 → Das Post Polio Syndrom bleibt
Mit dem Weltpoliotag rückt einmal jährlich eine hierzulande längst vergessene und scheinbar bedeutungslos gewordene Krankheit ins Bewußtsein der Öffentlichkeit: die Poliomyelitis, im Volksmund besser bekannt unter dem Begriff Kinderlähmung. Ebenso regelmäßig vergessen dagegen aber werden die Opfer früherer Polio-Epidemien, vor allem Betroffene mit Post Polio Syndrom.
Viren lassen sich ausrotten - das Post Polio Syndrom bleibt
Die Poliomyelitis ist eine gefährliche, da hochansteckende Virusinfektion, der vor noch nicht allzu entfernter Zeit Zehntausende, nicht wenige davon mit Todesfolge, zum Opfer fielen - und auch bis heute noch fallen. Am Weltpoliotag zum 28.10. häufen sich alljährlich Kampagnen und Spendenaufrufe, um den gefährlichen Polio-Viren, die überwiegend noch in Entwicklungsländern grassieren, den Kampf anzusagen.
Auch wenn die Zahl der Polio-Neuerkrankungen dank des weltweiten Eradikationsprogramms der WHO inzwischen drastisch zurückgegangen ist: ausgerottet sind die Viren noch immer nicht.
"Wir begrüßen jedwede Anstrengung, Polio weiter energisch zu bekämpfen, damit kein Mensch auf der Welt das Schicksal erleiden muß, an dem wir so schwer zu tragen haben", äußert sich Karola Rengis, Vorsitzende des Bundesverbandes POLIO Selbsthilfe e.V. zum Weltpoliotag 2012, "sich zu schützen ist so leicht im Vergleich zu den vielfältigen Folgen, die eine Polio-Infektion mit sich bringt."
Verschwundene Krankheit - vergessene Opfer
Polio - so die weit verbreitete Auffassung hierzulande - gibt es nicht mehr. Von der Öffentlichkeit daher weitgehend unbeachtet bleiben all diejenigen, die bereits eine Polio-Infektion überstanden haben, oft aber erst Jahrzehnte später mit den gravierenden Spätfolgen der Kinderlähmung, dem kaum bekannten Post Polio Syndrom (PPS), zu kämpfen haben. Auch in Deutschland. Seriöse Schätzungen gehen von derzeit 100.000 Menschen in Deutschland aus, die unter dem Post Polio Syndrom leiden, das Potential ist allerdings weitaus höher, bei bis zu 1,5 Millionen Betroffener für die kommenden Jahre. Weder die Gesundheitspolitik noch die Ärzteschaft selbst ist darauf vorbereitet.
"So erfreulich der Rückgang der Neu-Infektionen auch war, aber das Wissen um die Krankheit und ihre Folgen ist damit ebenfalls verschwunden", sagt Dr. Peter Brauer, Mitglied im Ärztlichen Beirat der POLIO Selbsthilfe e.V. Den Wissensstand unter Ärzten, insbesondere im Hinblick auf das schwer zu diagnostizierende Post Polio Syndrom, bezeichnet Dr. Brauer als "katastrophal".
Fataler Kenntnismangel - demographische Zeitbombe
"Was wir dringend brauchen, sind erheblich mehr engagierte Ärzte, die sich mit der Problematik des Post Polio Syndroms auseinandersetzen, wenn schon nicht in ihrer Ausbildung, dann wenigstens in der Weiterbildung", betont Karola Rengis und appelliert an die Gesundheitspolitik: "Gerade wegen der steigenden Lebenserwartung wie auch der anhaltenden Kostenexplosion im Gesundheitswesen sind die gehäuften Fehldiagnosen wie Fehlbehandlungen von Post-Polio-Patienten schlicht kontraproduktiv."
Jahrelange Odysseen durch verschiedenste Arztpraxen seien die Regel und nicht etwa die Ausnahme, so die Bundesvorsitzende der POLIO Selbsthilfe e.V., bis die Betroffenen erfahren, worunter sie tatsächlich leiden. "Oft genug werden wir mit unseren Leiden nicht einmal ernst genommen und einfach nach Hause geschickt. Das ist unerträglich", sagt Rengis. "Ich appelliere daher an alle in Deutschland gesundheitspolitisch Verantwortlichen, hier tätig zu werden und die Hunderttausenden von Menschen, die der Wahrscheinlichkeit eines Post-Polio-Syndroms entgegensehen, nicht einfach sich selbst zu überlassen."